Es ist Donnerstagmorgen. Eigentlich noch viel zu früh, um produktiv zu sein – doch bevor ich irgendetwas anderes tun kann, spüre ich dieses Ziehen, dieses leise, aber unüberhörbare Flüstern aus meinem Atelier.
So beginnt mein Tag: nicht mit Kaffee, nicht mit Nachrichten, sondern mit einem inneren Ruf. Einem Impuls, der sagt: Jetzt. Genau jetzt musst du malen.
Ich öffne die Ateliertür, schalte die Musik an und noch bevor der erste Rhythmus richtig im Raum ankommt, habe ich den Pinsel schon in der Hand. Ich entscheide nicht bewusst, welche Farben ich nehme – sie entscheiden sich für mich. Zitronengelb. Phtaloblau Cyan. Chinacridon Magenta. Meine absoluten Lieblingsfarben. Jede trägt ihre eigene Energie, ihre eigene Stimmung, ihr eigenes Licht.
Ich tauche ein.
In die Musik.
In die Bewegung.
In den Moment.
Ich denke nicht nach, ich plane nichts, ich korrigiere nicht.
Ich bin.
Nur hier. Nur jetzt.
Jeder Pinselstrich fühlt sich an wie ein Atemzug.
Und dann passiert es – dieses kleine, stille Wunder, das mich jedes Mal aufs Neue verzaubert:
Sobald die Farben sich berühren, miteinander fließen, anfangen zu tanzen, entstehen diese magischen Zwischentöne. Töne, die man nicht mischen kann, wenn man es versucht. Sie erscheinen nur, wenn man sie lässt.
Mitten in diesem Farbrausch öffnet sich die Ateliertür.
Mein Mann steht da, schaut auf das entstehende Bild – und sagt nur:
„Bist du verrückt?!“
Ich muss laut lachen.
Denn ich kenne diesen Satz.
Er kommt immer dann, wenn er völlig überwältigt ist und keine Worte mehr findet.
Er zückt sein Handy, macht diesen spontanen Schnappschuss – ein kleiner Moment, festgehalten für die Ewigkeit.
Ich wende mich wieder meinem Bild zu. Noch ein paar Schichten, noch ein paar vibrierende Linien, bevor ich es ruhen lasse und in die Trocknungsphase verabschiede.
Am nächsten Abend male ich weiter – so lange, bis die Farben leer sind und unser Hund mich abholt, damit ich nicht das Abendessen vergesse. Ein liebevolles Ritual, das mich wieder aus meiner Farbdimension zurück in die Welt bringt.
Als ich den Pinsel schließlich ablege, fühle ich nur Glück.
Tiefe Zufriedenheit.
Und dieses Staunen, das mich jedes Mal begleitet, wenn etwas entsteht, das größer ist als die Summe seiner Farben.
Denn dieses Werk – es strahlt.
Es vibriert.
Es lebt.
Es trägt eine Energie, die ich kaum in Worte fassen kann.
Ich hoffe sehr, dass ihr es bei der nächsten Vernissage live erleben könnt. Dass ihr davor steht, euch darauf einlasst und spürt, was es mit euch macht.
Welche Emotionen es auslöst. Welche Erinnerungen es weckt. Welche Energien es in euch bewegt.
Erzählt mir gerne, was ihr fühlt, wenn ihr es betrachtet.
Ich freue mich auf eure Eindrücke – denn Kunst lebt erst richtig, wenn sie berührt.